Karlsruhe. Wuchern die Wurzeln eines Baumes vom Nachbargrundstück herüber und verursachen dem Nachbarn Schäden, kann der Geschädigte keinen Schadensersatz von den Nachbarn verlangen. Vielmehr müssen die Eigentümer des Baums die Störung des Nachbargrundstücks durch die Wurzeln aus der Welt schaffen – der Nachbar kann sie daher notfalls wegen Unterlassung verklagen. So hat es der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt entschieden (Urteil vom 23.03.2023, Az.: V ZR 67/22).
Das Urteil fiel in einem Nachbarschaftsstreit in der Lausitz. Stein des Anstoßes war eine Pappel, die relativ nah an der Grundstücksgrenze steht. Die Wurzeln des Baumes wucherten unter der Grundstücksgrenze hindurch und trieben auf dem Nachbargrundstück aus. Dadurch wurde das darüber liegende Pflaster der Garageneinfahrt hochgedrückt. Der Eigentümer des Pflasters verlangte von seinen Nachbarn, denen der Baum gehört, dass Sie die Pappel fällen oder die auf sein Grundstück wachsenden Wurzeln entfernen und eine Wurzelsperre installieren.
Die Baumeigentümer weigerten sich. Daraufhin ließ der Nachbar auf eigene Kosten eine Wurzelsperre einbringen und das Pflaster in Stand setzen. Seine Ausgaben dafür – rund 2.000 Euro – verlangte er von den Nachbarn zurück und verklagte sie darum auf Schadensersatz. Doch mit der Klage scheiterte er letztlich vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Die Bundesrichter erklärten das so: Wenn man anstelle einer nicht oder nicht in der geschuldeten Form erbrachten Leistung Schadensersatz verlangt, verliert man nach § 281 Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) seinen Anspruch auf Erbringung der Leistung.
Wurzeln vom Nachbarn schädigen Pflaster: Kein Schadensersatz
Bekäme der Geschädigte jetzt also Schadensersatz wegen der Wurzeln, würde die Pflicht der Nachbarn zur Beseitigung der Wurzeln erlöschen – ohne dass garantiert wäre, dass der Geschädigte den Schadensersatz auch wirklich für die Beseitigung des Schadens aufwendet. Doch das verträgt sich nicht mit der Vorschrift aus dem § 1004 des BGB, wonach ein Eigentümer bei Störung seines Eigentums einen Anspruch darauf hat, dass der Störer die Störung beseitigt und ein zukünftiges erneutes Auftreten der Störung verhindert. Diese Vorschrift gilt, solange die Störung fortbesteht.
So gesehen würde im vorliegenden Fall also auch nach der Zahlung des Schadensersatzes der Anspruch auf Beseitigung der Wurzeln sofort wieder neu entstehen und bestehen bleiben, solange die Wurzeln nicht tatsächlich entfernt wurden. Jemanden zu Schadensersatz zu verurteilen, obwohl er weiterhin zur Beseitigung des Schadens verpflichtet bleibt, verbietet sich aber nach § 281, wie die Bundesrichter feststellten. Der Geschädigte hätte hier also anders vorgehen und die Nachbarn wegen Unterlassung der Störungsbeseitigung verklagen müssen.
Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind daher nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann ein Rechtsberater Ihres Haus & Grund-Ortsvereins mit Ihnen als Mitglied erörtern. Die rechtsanwaltliche Beratung durch Ihren Ortsverein ist in der Regel in der Mitgliedschaft enthalten, es fallen keine anwaltlichen Gebühren an.