Abschreibung für Abnutzung: Nachweis kürzerer Restnutzungsdauer

Immer wieder streiten Eigentümer mit dem Finanzamt darüber, wie sie nachweisen, dass die Restnutzungsdauer der Immobilie verkürzt und eine schnellere Abschreibung zulässig ist. Mittel der Wahl ist hier das Gutachten, doch dieses wird von Finanzämtern häufig nicht als Nachweis akzeptiert. Aber darf der Fiskus wirklich ein teures Bausubstanzgutachten verlangen?

Berlin. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte schon vor einiger Zeit geurteilt, dass sich der Eigentümer zur Darlegung einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer jeder sachverständigen Methode bedienen kann, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint. Die gewählte Methode muss über die maßgeblichen Determinanten der Nutzungsdauer – zum Beispiel technischer Verschleiß, wirtschaftliche Entwertung, rechtliche Nutzungsbeschränkungen – Aufschluss geben.

Vor dem Finanzgericht Münster (Urteil vom 02.04.2025, Az.: 14 K 654/23 E) kam es dennoch zum Streit über folgenden Fall: Ein Eigentümer erklärte die Abschreibung für Abnutzung (AfA) zunächst – wie seinerzeit in § 7 Absatz 4 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) normiert – mit 2 Prozent pro Jahr, also über 50 Jahre Nutzungsdauer insgesamt. In einem Einspruchsverfahren legte der Eigentümer ein Verkehrswertgutachten, erstellt nach den Regeln der Immobilienwertverordnung, vor. Das Gutachten belegte eine Nutzungsdauer von 23 Jahren. Der Eigentümer forderte folglich, die AfA in Anwendung von § 7 Absatz 4 Satz 2 EStG entsprechend höher anzusetzen.

Finanzamt fordert Bausubstanzgutachten - Eigentümer bekommt Recht

Das Finanzamt hingegen forderte ein Bausubstanzgutachten mit detaillierterer Darstellung des Zustands des Objekts. Zudem müsse das Gutachten explizit die Restnutzungsdauer feststellen. Ein bloßes Verkehrswertgutachten, bei dem die Nutzungsdauer nur am Rande festgestellt werde, reiche nicht für die Heraufsetzung der AfA-Quote.

Das Finanzgericht Münster gab dem Eigentümer Recht: Das vorgelegte Gutachten genüge den gesetzgeberischen Anforderungen, denn die Ermittlung der Restnutzungsdauer der Immobilie sei unter Anwendung des „Modells zur Ermittlung der Restnutzungsdauer von Wohngebäuden bei Modernisierungen“ gemäß Anlage 2 zu § 12 Absatz 5 Satz 1 der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) 2021 erfolgt.

Aufwändiges Bausubstanzgutachten nicht nötig

Dies sei eine modellhafte Methode und nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 23. 01.2024, Az.: IX R 14/23, BFH/NV 2024, 823) geeignet, Aufschluss über die für die tatsächliche Nutzungsdauer maßgeblichen Determinanten zu geben. Da sich das Gutachten nach der Rechtsprechung des BFH nicht zu sämtlichen für die Restnutzungsdauer maßgeblichen Determinanten verhalten müsse, sei auch unschädlich, dass der Sachverständige im Gutachten im Wesentlichen auf die wirtschaftliche Restnutzungsdauer abgestellt habe (BFH-Urteil vom 28. Juli 2021, IX R 25/19).

Fazit von Sibylle Barent, Leiterin Steuer- und Finanzpolitik beim Zentralverband Haus & Grund Deutschland: „Eigentümer, die eine geringere Restnutzungsdauer nachweisen wollen, müssen weder kostspielige Bausubstanzgutachten noch explizite Restnutzungsdauergutachten vorlegen. Auch ergibt sich keine Anforderung an eine bestimmte Zertifizierung des Gutachters aus dem Gesetz. Wohl zulässig ist hingegen die Anforderung, die Ausführungen im Gutachten mit einer Vor-Ort-Inaugenscheinnahme durch den Sachverständigen zu unterlegen.“

Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind daher nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann ein Rechtsberater Ihres Haus & Grund-Ortsvereins mit Ihnen als Mitglied erörtern.
Die rechtsanwaltliche Beratung durch Ihren Ortsverein in Aachen und Alsdorf ist in der Mitgliedschaft enthalten, es fallen keine anwaltlichen Gebühren an.

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