Eigentümergemeinschaft beauftragt Anwalt: Sind mehrere Angebote einzuholen?

Wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft Handwerker beauftragt, dann müssen zunächst mehrere Vergleichsangebote eingeholt werden. So können Preise und Leistungen bewertet und eine wirtschaftlich vernünftige Entscheidung über die Auftragsvergabe getroffen werden. Aber ist dieses Verfahren auch bei der Beauftragung einer Anwaltskanzlei obligatorisch?

Karlsruhe. Wenn eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) sich einen Rechtsanwalt nimmt, muss sie dazu nicht erst drei Angebote von verschiedenen Anwälten einholen – selbst, wenn eine Honorarvereinbarung abgeschlossen werden soll. Gleiches gilt auch für Gutachter, die im Laufe eines Rechtsstreits mitunter benötigt werden. Damit unterscheidet sich deren Beauftragung grundsätzlich von der Beauftragung eines Handwerkers – aus guten Gründen, wie Deutschlands oberste Zivilrichter meinen. Das zeigt eine jetzt veröffentlichte Entscheidung vom Bundesgerichtshof (BGH) aus dem Juli (Urteil vom 18.07.2025, Az.: V ZR 76/24).

Das Urteil fiel im Fall einer Wohnungseigentümergemeinschaft aus München, die sich gegen Baumängel zur Wehr setzen wollte. Nachdem im Corona-Jahr 2020 keine Eigentümerversammlung stattgefunden hatte, drohten die Mängelbeseitigungsansprüche im Oktober 2021 zu verjähren. Um das zu verhindern, schritt die Verwalterin der Anlage zunächst allein zu Tat: Sie beauftragte im Namen der Gemeinschaft drei Sachverständige mit Gutachten über die Mängel und eine Rechtsanwaltskanzlei mit der Durchsetzung der sich daraus ergebenden Ansprüche. Die Gutachten stellten Mängel fest, deren Beseitigung rund 470.000 Euro kosten würde. Für ihre Tätigkeit verlangten die Sachverständigen rund 50.000 Euro.

Eigentümer genehmigten Anwaltsbeauftragung nachträglich

Als im Juli 2021 schließlich eine Eigentümerversammlung abgehalten werden konnte, beschlossen die Eigentümer mehrheitlich, die Beauftragung der Gutachter, deren Vergütung und die bisher angefallenen Rechtsanwaltskosten nachträglich zu genehmigen. Außerdem entschied die Versammlung, die Rechtsanwaltskanzlei mit der außergerichtlichen und notfalls gerichtlichen Durchsetzung der Mangelbeseitigung zu beauftragen und dafür eine Sonderumlage zu erheben. Die Verwalterin sollte hierzu eine Honorarvereinbarung mit der Kanzlei abschließen, die sich auf maximal 300 Euro pro Anwaltsstunde und 150 Euro pro Sekretariatsstunde belaufen durfte.

Diese Beschlüsse passten allerdings einer Partei in der Eigentümergemeinschaft überhaupt nicht: Der Bauträgerin, welche die Anlage errichtet hatte und anschließend Miteigentümerin geworden war. Sie klagte gegen die Beschlüsse bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) – im Ergebnis jedoch erfolglos. Die Bundesrichter entschieden: Die Beschlüsse waren ordnungsgemäß. Anders als die Vorinstanz gab Karlsruhe der Einschätzung des Amtsgerichts München Recht: Bei der Beauftragung von Rechtsanwälten oder Gutachtern muss eine GdWE nicht erst mehrere Vergleichsangebote einholen, so wie es bei der Beauftragung von Handwerkern übliche Praxis ist (und vom Landgericht München im Berufungsverfahren verlangt worden war).

Vergleichsangebote bei Anwaltswahl nutzlos

Die Bundesrichter stellten fest, dass der Sinn und Zweck der Vergleichsangebote bei der Handwerkerwahl darin liegt, „die Stärken und Schwächen der Leistungsangebote aufzuzeigen“. Doch genau dieses Ziel sei bei der Beauftragung einer Anwaltskanzlei oder eines Gutachters gar nicht erreichbar, schreibt der BGH. Denn Angebote von Anwälten wären „ohnehin nicht dazu geeignet, den Wohnungseigentümern einen grundlegenden Erkenntnisgewinn in Bezug auf die Stärken und Schwäche der Angebote zu vermitteln“, wie es im Urteil heißt. Einerseits ist nämlich die Qualität des Angebots schwer messbar: Ein Anwalt schuldet (genau wie ein Gutachter) eine ergebnisoffene Dienstleistung, keinen Erfolg im Rechtsstreit.

Außerdem gibt es in einem Rechtsstreit eine Vielzahl von Faktoren, die zu Beginn des Verfahrens unvorhersehbar sind: Die Verfahrensdauer, der Instanzenzug, aber auch das genaue Vorgehen – Vergleich oder Prozess. Mithin sind die letztlichen Kosten zu Beginn eines Rechtsstreits immer unklar. Außerdem ist die Wahl des Rechtsanwalts letztlich Vertrauenssache – auch diesen Faktor kann man mit dem Vergleich verschiedener Angebote nicht abbilden. Auch gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstößt der Verzicht auf das Einholen verschiedener Anwaltsangebote nicht, stellte der BGH klar: Dieses Gebot bedeutet nicht, dass immer die billigste Variante gewählt werden muss, sondern lediglich, dass Kosten und Nutzen abzuwägen sind.

Honorarvereinbarung: Kostenrahmen nicht zu beanstanden

Den hier beschlossenen Kostenrahmen für das Honorar der Kanzlei stufte Karlsruhe ebenfalls als vertretbar ein – schließlich ging es darum, eine spezialisierte Kanzlei mit einem komplexen Sachverhalt zu beauftragen, der angesichts der drohenden Verjährung auch noch unter Zeitdruck bearbeitet werden musste. Zugleich wies der BGH darauf hin, dass es ohnehin selbst beim Abschluss einer Honorarvereinbarung einen gesetzlichen Schutz vor ausufernden Kosten gibt: Eine unangemessen hohe Vergütung kann von einem Gericht auf die gesetzliche Gebühr reduziert werden (nach § 3a Abs. 3 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, RVG).

Auch an der nachträglichen Genehmigung hatten die Bundesrichter nichts auszusetzen: Der WEG-Verwalter hat schließlich seit der Reform des Wohnungseigentumsrechts im Jahr 2020 (wir berichteten) im Außenverhältnis eine umfassende Vertretungsbefugnis. Ob die Eigentümer eine solche Maßnahme dann nachträglich genehmigen mögen, liegt in ihrem Ermessen – solange sie sich mit ihrem Beschluss im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung bewegen. Genau das sah der BGH in diesem Fall als gegeben an, weil der Verzicht auf Vergleichsangebote gerade nicht der ordnungsgemäßen Verwaltung widersprach.

Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind daher nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann ein Rechtsberater Ihres Haus & Grund-Ortsvereins mit Ihnen als Mitglied erörtern.
Die rechtsanwaltliche Beratung durch Ihren Ortsverein in Aachen und Alsdorf ist in der Mitgliedschaft enthalten, es fallen keine anwaltlichen Gebühren an.

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