Karlsruhe. Wenn ein Mieter einen Nachbarn beim Vermieter wegen eines vermeintlichen Fehlverhaltens anschwärzt, hat der verpfiffene Mieter unter Umständen das Recht, vom Vermieter den Hinweisgeber genannt zu bekommen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Behauptungen des „petzenden“ Nachbarn nicht zutreffend waren und der betroffene Mieter dadurch Schadensersatzansprüche haben könnte. So hat es der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt entschieden (Urteil vom 22.02.2022, Az.: VI ZR 14/21).
Damit haben die Bundesrichter eine für Vermieter wichtige Auslegung der Rechtslage beim Datenschutz vorgenommen. Anlass war ein Streit in einem Mietshaus im Süden von Baden-Württemberg. Ein Mieter hatte den Vermieter informiert, dass von einer Wohnung im Haus üble Gerüche und Ungeziefer ausgehen würden. Der Vermieter machte sich vor Ort ein Bild der Lage. Er stellte fest, dass die Wohnung tatsächlich verwahrlost war. Inwiefern es wirklich eine Geruchsbelästigung und Ungeziefer im Treppenhaus gab, blieb aber unklar.
Nicht bewiesene Anschuldigungen gegen Nachbarn erhoben
Auch die Gerichte konnten das später nicht einwandfrei klären. Der Vermieter forderte den Mieter der verwahrlosten Wohnung allerdings zu einer Entrümplung und grundlegenden Reinigung seiner Behausung auf. Der Mieter kam der Aufforderung auch tatsächlich nach. Er verlangte im Anschluss vom Vermieter Auskunft darüber, welcher Nachbar ihn denn angeschwärzt hatte. Die Auskunft wollte der Vermieter allerdings nicht geben. Er sah sich aus Gründen des Datenschutzes nicht dazu berechtigt, die Information herauszugeben.
Außerdem wollte der Vermieter durch den Schutz des Hinweisgebers verhindern, dass er auch in Zukunft weiterhin entsprechende Hinweise von den Mietern bekommt. Müssten diese mit einer späteren Offenlegung rechnen, würden sie sich nicht mehr an den Vermieter wenden, so seine Befürchtung. Der Mieter zog vor Gericht, um die Auskunft vom Vermieter einzuklagen. Nachdem Landgericht Ravensburg und Oberlandesgericht Stuttgart die Klage abgewiesen hatten, kassierte der Bundesgerichtshof (BGH) das Stuttgarter Urteil ein und verwies den Fall dorthin zurück.
DSGVO: Wie viel Datenschutz muss der Vermieter wahren?
Die Bundesrichter sind der Ansicht, dass der verpfiffene Mieter in diesem Fall ein Recht auf Offenlegung des Hinweisgebers haben könnte. Nach Artikel 15 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat der Mieter das Recht, vom Vermieter zu erfahren, welche personenbezogenen Daten dieser zu welchem Zweck über ihn verarbeitet. Bei Daten, die der Mieter dem Vermieter nicht selbst zur Verfügung gestellt hat, hat der Mieter außerdem ein Recht darauf, die Quelle der Daten zu erfahren.
Der BGH stellte fest, dass es sich bei der Anschuldigung über Gerüche und Ungeziefer im Treppenhaus um personenbezogene Daten handelte, die sich direkt auf den Mieter beziehen, aber nicht von ihm selbst stammten. Demnach hatte der Mieter nach der DSGVO ein Recht darauf, die Quelle der Daten zu erfahren – also den Namen des Nachbarn, der ihn angeschwärzt hatte. Dieses Recht ist allerdings gegen das Geheimhaltungsinteresse des Hinweisgebers abzuwägen. Die Bundesrichter sahen das im Urteil der Vorinstanz nicht als hinreichend geschehen an.
Anschuldigungen womöglich falsch: Vermieter muss Hinweisgeber offenbaren
Karlsruhe stellte fest: Da nicht bewiesen werden konnte, dass es wirklich Ungeziefer und eine Geruchsbelästigung gab, müsste das Gericht davon ausgehen, dass die Anschuldigungen des Nachbarn jedenfalls objektiv nicht zutrafen. Da die Aussagen das Ansehen des Betroffenen Mieters schädigen konnten und insofern in seine Persönlichkeitsrechte eingriffen, hatte er womöglich Ansprüche auf Schadensersatz und Unterlassung gegen den Nachbarn, der sich beim Vermieter beklagt hatte.
Das Interesse des beschuldigten Mieters, diese Ansprüche geltend zu machen, wäre nach Ansicht des BGH höher zu gewichten als das Geheimhaltungsinteresse des Nachbarn. Wenn dieser nicht zutreffende Anschuldigungen gegenüber dem Vermieter mache, könne er nicht auf Vertraulichkeit hoffen. Auch das Argument des Vermieters, es würde sich sonst niemand mehr trauen, Hinweise zu geben, fanden die Bundesrichter unbegründet: Schließlich könnten die Hinweise auch anonym an den Vermieter gerichtet werden.
Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind daher nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann ein Rechtsberater Ihres Haus & Grund-Ortsvereins mit Ihnen als Mitglied erörtern. Die rechtsanwaltliche Beratung durch Ihren Ortsverein ist in der Regel in der Mitgliedschaft enthalten, es fallen keine anwaltlichen Gebühren an.