Karlsruhe. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sieht vor, dass eine unverhältnismäßig hohe Vertragsstrafe auf Antrag des Schuldners von einem Gericht auf einen angemessenen Betrag reduziert werden kann. Diese Regelung ist auch auf Vertragsstrafen anwendbar, welche eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) in ihrer Gemeinschaftsordnung verankert hat. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt entschieden (Urteil vom 24.10.2025, Az.: V ZR 129/24).
Das Urteil fiel in einem Fall aus Berlin. Dort hatte ein Unternehmen (Rechtsform: GmbH & Co. KG) eine Sondereigentumseinheit in einer Wohnungseigentumsanlage gekauft. Die Gemeinschaftsordnung gestattete es dem Unternehmen, den Dachbereich des Gebäudes aus- bzw. umzubauen und eine Dachaufstockung vorzunehmen. Unter einer Auflage: „Die Baumaßnahmen von Beginn bis zur Beendigung der Arbeiten müssen innerhalb von maximal 15 Monaten abgeschlossen werden. Der Beginn ist dem Verwalter anzuzeigen.“
Damit diese Bedingung auch eingehalten wird, ergänzte man die Erlaubnis durch ein Strafversprechen: „Bei einer Bauzeitüberschreitung von 15 Monaten ist eine Konventionalstrafe an die Wohnungseigentümergemeinschaft in Höhe von 1 % der Bausumme des Dachgeschosses pro Monat der Bauzeitüberschreitung zu zahlen. Als Bausumme wird ein Betrag von 1.500 € pro Quadratmeter Wohnfläche für die Bemessung der Vertragsstrafe verbindlich festgelegt.“
Bauarbeiten erheblich verzögert – Strafe in Gemeinschaftsordnung greift
Das sollte später noch wichtig werden, denn das Unternehmen machte von der Erlaubnis zum Ausbau seiner Sondereigentumseinheit Gebrauch – und die Bauarbeiten verzögerten sich erheblich, überschritten die vorgegebenen 15 Monate bei weitem. Die Eigentümergemeinschaft zog vor Gericht, um die Zahlung der Konventionalstrafe einzuklagen. Als das Amtsgericht sein Urteil darüber sprach, war es Sommer 2023 und eine Fertigstellung der im Oktober 2020 begonnen Bauarbeiten war immer noch nicht absehbar.
So hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt eine Strafzahlung in Höhe von knapp 230.000 Euro aufgetürmt – immerhin ging es um eine Fläche von 1.000 Quadratmetern. Das Amtsgericht Berlin-Schöneberg gab der Klage der Eigentümergemeinschaft auch statt, die Berufung des Unternehmens vor dem Landgericht Berlin II scheiterte. Daraufhin landete der Fall allerdings vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe und der entschied: Die Strafe muss zwar gezahlt werden. Sie kann aber vom Gericht herabgesetzt werden.
Der BGH hob das Urteil der Vorinstanz auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung nach Berlin zurück: Dort muss das Landgericht jetzt darüber entscheiden, ob die Strafe in diesem Fall unverhältnismäßig hoch angesetzt wurde und auf welchen Betrag sie dann zu reduzieren ist. Der BGH stellte fest, die Vorinstanz habe verkannt, dass auch auf eine solche, in der Gemeinschaftsordnung einer GdWE verankerte Strafe die gerichtliche Herabsetzungsmöglichkeit nach § 343 BGB anwendbar sein kann.
Sondereigentümer muss Strafe zahlen – aber in welcher Höhe?
Die Regelung ist nach dem Gesetzestext explizit nicht nur für „echte Vertragsstrafen“ gedacht, sondern auch für sogenannte selbstständige Strafversprechen. Diese dienen „dazu, den Schuldner zu einer von ihm an sich nicht geschuldeten Handlung oder Unterlassung anzuhalten“, erläutert der BGH in seinem Urteil. Um ein solches selbstständiges Strafversprechen ging es hier. Da die Strafe hier automatisch durch Bauzeitüberschreitung greifen sollte und nicht erst durch einen Beschluss der Eigentümer verhängt werden musste, handelte es sich hier auch nicht um eine Vereinsstrafe, das Vereinsrecht war nicht anwendbar.
So kam hier die Regelung aus dem BGB zum Tragen, befand der BGH. Dem steht nach Ansicht der Bundesrichter auch das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) nicht entgegen. Dessen § 10 sieht zwar in Absatz 2 vor, dass Wohnungseigentümer in schweren Fällen eine Anpassung von Vereinbarungen verlangen können. So könnte eine Anpassung der Strafe durch einen Beschluss zur Änderung der Gemeinschaftsordnung erfolgen. Das hatte das Unternehmen hier aber nicht beantragt, stellte der BGH fest und entschied, dass eine Strafanpassung durch ein Gericht nach § 343 BGB unabhängig davon möglich ist.
Auch die Tatsache, dass die Sondereigentümerhin hier eine GmbH & Co. KG war, änderte an der Anwendbarkeit des § 343 nichts, stellte der BGH fest: Zwar schließt das Handelsgesetzbuch (HGB) eine Strafkorrektur nach § 343 BGB für Formkaufleute aus. Allerdings gilt das nur dann, wenn das Strafversprechen durch ein Rechtsgeschäft abgegeben wurde. Das war hier gerade nicht der Fall: Das Unternehmen war durch den Kauf der Sondereigentumseinheit in die GdWE eingetreten und damit automatisch der Gemeinschaftsordnung unterworfen worden, welche die Strafe enthielt.
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