Immer mehr Berufspendler, immer weitere Pendelstrecken

Immer mehr Menschen pendeln zur Arbeit. Dabei legen sie immer größere Strecken zurück, wie eine aktuelle Statistik jetzt zeigt. Die Entwicklung ist ein Spiegelbild der Situation auf dem Arbeitsmarkt einerseits und dem Wohnungsmarkt andererseits. Sie stellt eine Herausforderung für Verkehrspolitik und Wohnungsbaupolitik dar – gerade auch in Nordrhein-Westfalen.

Bonn. Immer weniger Menschen in Deutschland leben in der Stadt, in der sie auch arbeiten. Insgesamt 60 Prozent der Arbeitnehmer in der Bundesrepublik pendeln zur Arbeitsstelle. Damit gab es zum Stichtag am 30. Juni 2024 gut 20,5 Millionen Pendler in Deutschland und mithin 110.000 mehr als im Vorjahr. Das hat das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) jetzt ausgerechnet. Der Durchschnittspendler legt demnach 17,2 Kilometer zur Arbeitsstelle zurück, der Wert blieb im Vorjahresvergleich fast unverändert.

Nicht wenige Arbeitnehmer sind aber auch deutlich weiter unterwegs. Rund 7,2 Millionen Berufspendler haben einen Weg von mehr als 30 Kilometern zur Arbeit, für gute 4 Millionen Menschen sind es sogar mehr als 50 Kilometer bis zur Arbeitsstelle. Knappe 2,4 Millionen Arbeitnehmer mussten im Jahr 2024 sogar mehr als 100 Kilometer zur Arbeit zurücklegen. In allen drei Entfernungsgruppen ist die Zahl der jeweils Betroffenen im Vergleich zum Vorjahr etwas angestiegen.

Arbeitsplätze auf Großstädte konzentriert

Die längsten durchschnittlichen Pendelstrecken finden sich wenig überraschend vor allem in den dünner besiedelten Regionen im Nordosten und im Süden Deutschlands. So reist der durchschnittliche Pendler im Landkreis Märkisch-Oderland über eine Strecke von 27,4 Kilometern zur Arbeitsstelle an. Im Kreis Ludwigslust-Parchim sind es 27,3 Kilometer, im Altmarkkreis Salzwedel 27,2 Kilometer. Der Kreis Landsberg am Lech kommt auf 26,7 Kilometer, Pfaffenhofen an der Ilm auf 26,5 Kilometer und der Kreis Dahme-Spreewald auf 26,1 Kilometer.

Das Ziel der Pendler sind vor allem die Großstädte. „Rund 42 Prozent der Beschäftigten arbeiten inzwischen in Großstädten. Diese üben als Arbeitsmarktzentren eine enorme Anziehungskraft aus“, berichtet der BBSR-Experte Thomas Pütz. Die Zahl der Pendler in die Großstädte bleibe daher hoch und habe spürbare Folgen für Verkehr, Umwelt und Lebensqualität. Insgesamt sind es rund 7 Millionen Berufspendler, die letztes Jahr von außerhalb in eine der 80 Großstädte zur Arbeit kamen. Das bedeutet im Vorjahresvergleich einen Anstieg um 80.000.

Köln mit starkem Pendler-Zuwachs

Die Stadt mit den meisten Berufspendlern war München: Im Jahr 2024 arbeiteten in der bayerischen Landeshauptstadt 458.400 Menschen, die nicht in der Stadt wohnten. Die nächstgrößeren Pendlermetropolen sind Frankfurt am Main mit 415.600 Berufspendlern sowie Berlin mit 398.900, Hamburg mit 396.300 und Köln mit 317.000 pendelnden Arbeitnehmern. Dabei ist Köln bundesweit die Stadt mit dem größten Zuwachs an Pendlern: 11.200 pendelnde Arbeitnehmer kamen hier im Jahr 2024 hinzu, die meisten aus anderen Großstädten im Rheinland. In Frankfurt am Main betrug die Zunahme 10.800, in Berlin 7.700 und in Düsseldorf 4.900 Personen.

Die Statistik definiert als Pendler eine Person, die nicht in der Stadt wohnt, in der sie auch arbeitet. Gerade in den Großstädten dürfte die Zahl der Berufspendler dadurch noch unterschätzt werden: Wer beispielsweise in Köln-Porz lebt und in Köln-Merkenich arbeitet, der legt etwas mehr als 25 Kilometer zur Arbeitsstelle zurück und pendelt damit sogar überdurchschnittlich weit zur Arbeit – ohne jedoch die Stadt Köln zu verlassen, so dass ein solcher Arbeitnehmer von der Statistik gar nicht als Pendler erfasst wird. 

Herausforderung für Wohnungspolitik und Verkehrspolitik

Andererseits kann es gerade in den Ballungsgebieten von NRW auch Menschen geben, die zwar nicht in der Stadt leben, in der sie arbeiten und daher von der Statistik als Pendler erfasst werden – obwohl sie in 10 Minuten zu Fuß zur Arbeitsstelle gehen können. Außerdem erfasst die Statistik nicht, wie oft der Weg zur Arbeitsstätte zurückgelegt wird: Moderne Arbeitsmodelle wie mobiles Arbeiten oder Home-Office sorgen allerdings dafür, dass längst nicht mehr jeder Arbeitsnehmer werktäglich zur Arbeitsstelle anreisen muss. Etwas weitere Pendeldistanzen relativieren sich dadurch für die Betroffenen.

Dennoch gibt die Statistik des BBSR interessante Anhaltspunkte. Die Grundtendenz, dass immer mehr Menschen zur Arbeit pendeln und dass die Entfernungen dabei steigen ist ein Spiegelbild der Situation auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt. In den Großstädten gibt es zwar viele Arbeitsplätze, aber Wohnraum ist zunehmend knapp und teuer, sodass viele Beschäftigte ins Umland ausweichen. Dies erfordert allerdings auch ein Schritthalten der Verkehrsinfrastruktur mit der beobachteten Entwicklung sowie die Ermöglichung von Wohnungsneubau speziell in pendlerfreundlichen Lagen.

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