Muss der Nachbar für mein Bauvorhaben den Vermessungstechniker hineinlassen?

Wer in seinem Garten ein zusätzliches Gebäude an die Grundstücksgrenze setzen möchte, muss dazu erstmal wissen, wo diese Grenze eigentlich genau verläuft. Sonst wird es mit der Baugenehmigung schwierig. Bei unklarem Grenzverlauf braucht es dafür erstmal eine Vermessung. Aber muss der Nachbar den Vermessungsingenieur auf sein Grundstück lassen? Die Frage hat jetzt die Gerichte beschäftigt.

Karlsruhe. Wenn der genaue Verlauf der Grundstücksgrenze unklar ist, weil kein amtlicher Lageplan existiert, tut sich das Bauamt logischerweise schwer damit, ein Bauvorhaben an der Grundstücksgrenze zu genehmigen. Es kann dann die Feststellung des genauen Grenzverlaufs durch einen Vermessungsingenieur verlangen. Der Nachbar des Bauherrn muss den Ingenieur dann erforderlichenfalls auch auf sein Grundstück lassen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt klargestellt (Urteil vom 20.05.2022, Az.: V ZR 199/21).

Der konkrete Fall drehte sich um zwei aneinander angrenzende Häuser in Mecklenburg-Vorpommern. Der Eigentümer des einen Hauses wollte in seinem Garten, direkt an der Grundstücksgrenze, ein zusätzliches Gebäude errichten und beantragte dafür eine Baugenehmigung. Allerdings existierte von dem Grundstück noch kein amtlicher Lageplan, aus dem sich der genaue Grenzverlauf zwischen den Nachbarn ergeben würde. Das Bauamt gab dem Antragsteller daher auf, einen solchen Plan erstellen zu lassen.

Grenzverlauf unklar: Nachbar muss Vermessungsarbeiten dulden

Der Bauherr beauftragte also einen öffentlich bestellten Vermessungsingenieur. Doch der musste auch das Haus des Nachbarn betreten, um seine Arbeit erledigen zu können. Das allerdings wollte der Nachbar nicht dulden. Der bauwillige Eigentümer zog vor Gericht und bekam schließlich vor dem Bundesgerichtshof (BGH) Recht. Die Karlsruher Richter entschieden, dass der Nachbar des Bauherrn die Vermessungsarbeiten dulden und den Ingenieur dafür ins Haus lassen muss. Das folge aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis nach § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Ohne die Vermessung könnte der Bauherr nicht auf seinem Grundstück bauen. Ihm würde damit ein wesentliches Recht an seinem Eigentum genommen. Das wiegt nach Auffassung der Richter deutlich schwerer als der Aufwand des Nachbarn, zu einem vorher vereinbarten Termin für kurze Zeit den Ingenieur ins Haus zu lassen. Überhaupt liegt die Vermessung nach Ansicht der Richter in beiderseitigem Interesse. Die klare Feststellung der Grundstücksgrenze klärt schließlich auch die Eigentumsverhältnisse und sichert damit die Eigentumsrechte beider Eigentümer ab.

Das Geoinformations- und Vermessungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern, das Vermessungsarbeiten von der ausdrücklichen Erlaubnis des Grundstückseigentümers abhängig macht, greift in diesem Fall nicht: Der BGH stellte fest, dass dieses Gesetz nur das Verhältnis von Bürger und Staat regelt. Staatliche Vermessungsarbeiten bedürfen in Mecklenburg-Vorpommern also der Erlaubnis des betroffenen Grundeigentümers. Im vorliegenden Fall ging es aber um den privatrechtlichen Anspruch zwischen zwei Nachbarn – und der ergibt sich eben aus dem BGB.

Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind daher nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann ein Rechtsberater Ihres Haus & Grund-Ortsvereins mit Ihnen als Mitglied erörtern. Die rechtsanwaltliche Beratung durch Ihren Ortsverein ist in der Regel in der Mitgliedschaft enthalten, es fallen keine anwaltlichen Gebühren an.

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