Nach WEG-Reform: Ist ein Beschluss über die Jahresabrechnung gültig?

Die große Reform des Wohnungseigentumsrechts von 2020 wirkt in der Justiz weiterhin intensiv nach. Unter anderem hat sich die Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft verändert, etwa was Jahresabrechnung und Wirtschaftsplan anbelangt. Wie soll man umgehen mit Beschlüssen, die nicht unter voller Berücksichtigung der Reform gefasst wurden?

Karlsruhe. Seit der WEG-Reform von 2020 hat die Eigentümerversammlung nicht mehr über die Jahresabrechnung als Ganzes zu beschließen. Nur noch die Zahlungen zum Ausgleich von Über- oder Unterdeckungen aus dem Wirtschaftsplan, die sogenannten Abrechnungsspitzen, sind zu beschließen. Deshalb ist ein Beschluss, der noch ganz im alten Duktus die Gesamtabrechnung und die daraus resultierenden Einzelabrechnungen des Hausgeldes beschließt, aber nicht gleich nichtig.

Das hat der Bundesgerichtshof jetzt entschieden (Urteil vom 19.07.2024, Az.: V ZR 102/23). Der konkrete Fall drehte sich um eine Eigentümergemeinschaft in Baden-Württemberg. Die Eigentümerversammlung hatte beschlossen: „Die Gesamtabrechnung und die daraus resultierenden Einzelabrechnungen des Hausgeldes für den Zeitraum 01.01.2020 bis 31.12.2020 werden in der Fassung mit Druckdatum vom 11.05.2021 genehmigt. Die Abrechnungsspitzen sind zum 01.09.2021 fällig.“ (Hervorhebungen durch Redaktion.)

Eigentümer beschlossen Gesamtabrechnung

Einer der Wohnungseigentümer ging davon aus, dass dieser Beschluss nichtig wäre, weil die Eigentümerversammlung seit der WEG-Reform von Dezember 2020 nicht mehr über die Jahresabrechnung als Ganzes beschließen darf, sondern nur noch über die Abrechnungsspitzen. Der Eigentümer, dem zwei Wohnungen in der Anlage gehören, erhob daher Anfechtungsklage gegen den Beschluss.

Nachdem das Amtsgericht Böblingen nicht in seinem Sinne entschieden hatte, bekam er vor dem Landgericht Stuttgart Recht. Doch die Eigentümergemeinschaft wehrte sich gegen das Urteil erfolgreich vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Die Karlsruher Bundesrichter entschieden: Der fragliche Beschluss ist nicht mangels Beschlussfassungskompetenz der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) nichtig.

BGH: Beschluss über Jahresabrechnung nicht nichtig

Im Zweifel wollte die Eigentümerversammlung ja keinen rechtswidrigen Beschluss fassen, unterstellten die Richter. Daher sei in diesem Fall davon auszugehen, dass der Beschluss dahingehend auszulegen ist, dass damit bloß die aus den Einzelabrechnungen hervorgehenden Nachzahlungen bzw. angepassten Vorauszahlungen festgestellt werden sollten, wie es das reformierte Wohnungseigentumsgesetz vorsieht. Mit genau dieser Tragweite sei der Beschluss dann eben auch gültig.

Damit bleibt Karlsruhe sich treu: Schon im vergangenen Jahr hatte man analog argumentiert, als es um die mögliche Nichtigkeit von Beschlüssen über Wirtschaftspläne von Eigentümergemeinschaften ging (Beschluss vom 25.10.2023, Az.: V ZB 9/23, wir berichteten). Mit dieser Rechtsprechungspraxis vermeidet der BGH, dass in größerer Zahl Beschlüsse von Eigentümerversammlungen wegen kleiner, ungewollter Formfehler nichtig werden.

Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind daher nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann ein Rechtsberater Ihres Haus & Grund-Ortsvereins mit Ihnen als Mitglied erörtern.
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