Karlsruhe. Auch allmähliche Bewegungen von Erd- und Gesteinsmassen erfüllen grundsätzlich die Definition eines Erdrutsches. Deswegen kann eine Wohngebäudeversicherung, die Erdrutsche mit abdeckt, auch in einem solchen Fall dazu verpflichtet sein, dem Versicherungsnehmer den Schaden zu regulieren. Das gilt jedenfalls dann, wenn sie in den Versicherungsbedingungen Schäden durch allmähliche Erdbewegungen nicht explizit ausgeschlossen hat. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich entschieden (Urteil vom 09.11.2022, Az.: IV ZR 62/22).
Über das Urteil freut sich der Eigentümer eines Grundstücks in Oberfranken. Es liegt am vorderen Rand einer Terrasse, die vor 80 Jahren am Hang aufgeschüttet worden war. Nach Ansicht des Eigentümers war das aufgeschüttete Material mit den Jahren langsam in Bewegung geraten. Darauf führt er es jedenfalls zurück, dass sich an seinem Haus und der zugehörigen Terrasse Risse bildeten. Rund 100.000 Euro kostete die Beseitigung der Schäden.
Versicherungsschutz auch bei allmählichem Erdrutsch
Das Geld forderte der Eigentümer von seiner Wohngebäudeversicherung ein: Der Versicherungsschutz sollte laut Vertrag nämlich auch Erdrutsche abdecken. „Erdrutsch ist ein naturbedingtes Abgleiten oder Abstürzen von Gesteins- oder Erdmassen“, heißt es in der Vereinbarung. Genau darum handelte es sich in seinem Fall, argumentierte der Versicherte. Die Versicherung sah das anders und wollte nicht zahlen, der Eigentümer zog vor Gericht.
Nachdem sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht in Bamberg die Klage abgewiesen hatten, wandte sich der Hauseigentümer an den Bundesgerichtshof (BGH). Dort bekam er tatsächlich Recht: Die Bundesrichter kamen zu der Überzeugung, dass die fragliche Klausel auch einen allmählich über Jahre hinweg vor sich gehenden Erdrutsch umfasst. Anders als die Vorinstanzen stellte Karlsruhe fest, die Formulierung sei nicht auf plötzliche und sinnlich wahrnehmbare geologische Vorgänge beschränkt.
„Kriechvorgänge“ sind in der Formulierung schließlich nicht explizit ausgeschlossen. Zwar unterscheiden Geologen zwischen „Erdrutschen“ und „Erdkriechen“, wie das Oberlandesgericht festgestellt hatte. Doch die Versicherungsbedingungen sprechen diesen Unterschied mit keinem Wort an. So muss die Versicherung in diesem Fall auch für die Schäden durch das Erdkriechen aufkommen – sofern das als Ursache der Schäden nachgewiesen werden kann. Das muss das Oberlandesgericht jetzt mit einem Sachverständigengutachten klären und erneut urteilen.
Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind daher nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann ein Rechtsberater Ihres Haus & Grund-Ortsvereins mit Ihnen als Mitglied erörtern. Die rechtsanwaltliche Beratung durch Ihren Ortsverein ist in der Regel in der Mitgliedschaft enthalten, es fallen keine anwaltlichen Gebühren an.