Sondernutzungsrecht beeinträchtigt: Darf einzelner Wohnungseigentümer klagen?

Die WEG-Reform hat Ende 2020 die Prozessführungsbefugnisse unter Wohnungseigentümern neu geordnet. Gegen eine Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums darf seither nur noch die Gemeinschaft klagen, nicht mehr ein einzelner Eigentümer. Doch was gilt, wenn die Beeinträchtigung zugleich auch ein Sondernutzungsrecht eines Einzelnen trifft?

Karlsruhe. Auch nach der WEG-Reform darf ein einzelner Wohnungseigentümer gerichtlich gegen eine Störung seines Sondereigentums vorgehen – selbst dann, wenn die Störung auch das Gemeinschaftseigentum betrifft. Für die Störung eines dinglichen Sondernutzungsrechts gilt das Gleiche – sofern die Störung wirklich besteht. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt (Urteil vom 0.10.2021, Az.: V ZR 48/21) und damit seine bisherige Rechtsprechung zu diesem Themenkreis nahtlos fortgeschrieben.

Damit klärten die Bundesrichter einen Streitfall aus Hessen. Die Sache drehte sich um ein Haus, das aus zwei Eigentumswohnungen besteht. Die Eigentümerin der einen Wohnung hat ein Sondernutzungsrecht an zwei Stellplätzen auf dem Grundstück. Der Eigentümer der anderen Wohnung baute im Jahr 2018 auf dem Grundstück eine Betonmauer, einen Holzzaun und ein Tor. Obwohl sich die neuen Einfriedungen auf Gemeinschaftseigentum befanden, fragte er die andere Eigentümerin nicht um Erlaubnis.

Eigenmächtig auf Gemeinschaftseigentum gebaut

Der Nachbarin passte die Neuerung allerdings gar nicht, weil sie sich dadurch beim Rangieren auf der Fläche vor ihren Stellplätzen eingeschränkt sah. Sie zog vor Gericht und verlangte von ihrem Nachbarn, die Sperranlage wieder abzubauen. Das Amtsgericht Büdingen gab der Klage statt, das Landgericht Frankfurt (Main) jedoch wies sie ab, nachdem der Nachbar in Berufung gegangen war. Das Gericht meinte, das Sondernutzungsrecht der Eigentümerin sei nicht beeinträchtigt, so dass sie deswegen nicht klagen könne.

Wegen der Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums dürfe jedoch nur die Eigentümergemeinschaft als Ganzes klagen und keine Einzeleigentümerin. Das schloss das Landgericht aus der WEG-Reform, die am 1. Dezember 2020 in Kraft getreten ist. Seit der Reform steht nämlich im Wohnungseigentumsgesetz (WEG), dass nur noch die Gemeinschaft gegen Beeinträchtigungen des Gemeinschaftseigentums vorgehen darf. In diesem Punkt stimmte auch der Bundesgerichtshof (BGH) dem Landgericht zu.

Allerdings stellte Karlsruhe fest: Zur Durchsetzung ihres Sondernutzungsrechts durfte die Eigentümerin grundsätzlich sehr wohl vor Gericht ziehen. Die Bundesrichter stellten klar: Auch nach der Reform kann ein Wohnungseigentümer gegen eine Beeinträchtigung seines Sondereigentums klagen – unabhängig davon, ob die Störung auch das Gemeinschaftseigentum betrifft oder nicht. Das gilt analog auch für eine Störung eines dinglichen Sondernutzungsrechts, wie sie in diesem Fall vorgebracht wurde.

Altfälle vor Dezember 2020 nach altem Recht zu beurteilen

Allerdings stellte der BGH zugleich fest: In diesem Fall war zwar das Rangieren auf dem Gemeinschaftseigentum erschwert, die Stellplätze aber dennoch erreichbar. Das Sondernutzungsrecht wurde insofern gar nicht gestört. Nach der neuen Rechtslage konnte die Eigentümerin daher nicht auf eigene Faust klagen. Allerdings fiel das Urteil des Amtsgerichts schon am 25. Februar 2020, da war die WEG-Reform noch nicht in Kraft getreten.

Demnach kann in diesem Fall noch das alte Recht Anwendung finden, womit die Eigentümerin klagebefugt ist – falls nicht zwischenzeitlich die Gemeinschaft erklärt hat, dass sie den Fall an sich ziehen will. Das hätte ein vertretungsberechtigtes Organ der Gemeinschaft schriftlich erklären müssen. So hatte es der BGH im Sommer 2021 entschieden (<link https: www.hausundgrund-aachen.de aktuelles einzelansicht-aktuelles weg-reform-aenderte-prozessfuehrungsbefugnis-was-passiert-mit-laufenden-altverfahren-1853 _blank external-link-new-window external link in new>wir berichteten). Ob das hier der Fall war, muss jetzt das Landgericht klären, welches den Fall vom BGH zurückverwiesen bekam.

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