Düsseldorf. Ein im Mai gefällter Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 13.05.2025, Az.: EnVR 83/20) sorgt bei Vermietern für Verunsicherung, die Mieterstrom anzubieten planen. Mieterstrom bedeutet nach bisheriger deutscher Rechtslage: Der Vermieter installiert eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Mietshauses oder einer größeren Wohnanlage, zu der auch Nebengebäude wie Garagen gehören können und der davon produzierte Strom wird den Mietern im Objekt zum Verbrauch in ihrem Haushalt zur Verfügung gestellt.
Damit die politisch gewünschte Lieferung des Stroms aus eigener Produktion vom Vermieter an die Mieter für beide Seiten wirtschaftlich interessant wird, sieht das Mieterstromgesetz vor, dass der von den Mietern zu bezahlende Preis für den Strom und den ergänzenden Strom aus dem öffentlichen Netz maximal 90 Prozent des in dem jeweiligen Netzgebiet geltenden Grundversorgungstarifs betragen darf. Dass der Strom für die Mieter so preisgünstig ist und sich das Modell zugleich trotzdem auch für den Vermieter lohnt, liegt maßgeblich an den Netzentgelten.
Wer Strom von einem Energieversorger bezieht, bekommt diesen über das Verteilernetz geliefert und zahlt dafür Netzentgelte. Der Mieterstrom fließt jedoch nur innerhalb des Hauses in der elektrischen Anlage des Vermieters zu den Mietern. Dafür werden in Deutschland bislang keine Netzentgelte fällig. Außerdem sind die Vermieter von weniger Bürokratie betroffen als die Verteilernetzbetreiber, sie profitieren von vereinfachten Abrechnungs- und Meldepflichten. Es ist auch sachlogisch: Wer das öffentliche Stromnetz nicht nutzt, muss nicht dafür bezahlen.
Europarecht steht deutschem Mieterstrom im Weg
So sieht die Rechtslage in Deutschland jedenfalls bislang aus – bis der Bundesgerichtshof im Mai mit einem Beschluss die rechtliche Situation anders beurteilte. In dem Fall ging es um zwei Blockheizkraftwerke. Solche Anlagen erzeugen Heizwärme und Warmwasser, zugleich aber auch Strom für größere Wohnanlagen. Bei der Stromlieferung aus einem Blockheizkraftwerk wird bislang analog zu PV-Anlagen davon ausgegangen, dass keine Netzentgelte anfallen, weil der Strom innerhalb der Wohnanlage direkt zu den Mietern fließt.
Der konkrete Fall drehte sich um ein Energieversorgungsunternehmen in Sachsen, das für eine Grundstückseigentümerin eine Wohnanlage mit vier Wohnblöcken und 96 Wohnungen sowie eine Anlage mit sechs Wohnblöcken und 120 Wohnungen durch jeweils eine Energiezentrale und ein daran angeschlossenes Nahwärmenetz mit Wärme und Warmwasser versorgt. Nun wollte das Unternehmen in den beiden Wohnanlagen jeweils ein Blockheizkraftwerk errichten, das neben der Warmwasserversorgung und Beheizung auch über zwei getrennte elektrische Netze die Stromversorgung der Wohnungen übernehmen sollte.
Dafür meldete das Unternehmen bei der örtlichen Verteilernetzbetreiberin Netzanschlüsse für zwei getrennte Kundenanlagen an und beantragte den Anschluss an deren Netz sowie die Bereitstellung der erforderlichen Zählpunkte. Doch die Verteilernetzbetreiberin lehnte ab, weil sie die geplanten elektrischen Anlagen nicht als Kundenanlagen, sondern als Verteilernetze betrachtete. Die Klage dagegen blieb erfolglos. Der BGH legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof zur Prüfung vor und der stellte fest, dass eine Kundenanlage nur dann vorliegt, wenn sie kein Verteilernetz im Sinn von Art. 2 Nr. 28 der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie darstellt.
Mieterstromanlage kann ein Verteilernetz sein
„Die Leitungsanlagen der Antragstellerin sind aber Verteilernetze in diesem Sinn“, schreibt der BGH in seinem Beschluss. „Sie dienen der Weiterleitung von Elektrizität, die zum Verkauf an Endkunden durch die Antragstellerin bestimmt ist. Damit können sie nicht von den für die Regulierung der Netze geltenden Vorschriften ausgenommen werden.“ Sprich: Die bisherige deutsche Auffassung, wonach ein Stromnetz innerhalb einer Wohnanlage grundsätzlich als Kundenanlage eingestuft wurde, für die Sonderregelungen galten, ist europarechtswidrig. Für alle Stromerzeuger in der EU müssen die gleichen Regeln gelten, auch wenn sie Strom nur lokal für einen begrenzten Kundenkreis erzeugen.
Zumindest in dem sächsischen Fall ist damit ein Verteilernetz gegeben und keine Kundenanlage. Konsequenz: Die Betreiberin muss Netzentgelte abführen und alle regulatorischen Anforderungen eines Stromnetzbetreibers erfüllen – was erhebliche Bürokratie mit sich bringt, etwa eine Registrierung bei der Bundesnetzagentur und ggf. die Anmeldung einer Netznutzung. So müssen etwa die technischen Anschlussregeln beachtet und ein Bilanzkreismanagement unterhalten werden. Für die Mieter entfällt damit der Kostenvorteil, weil der Strom nun dank der Netzentgelte doch teuer wird.
Auch für die Vermieterseite steigen die Kosten, der Aufwand und die rechtlichen Risiken. Damit stehen gerade größere Mieterstromprojekte nun vor dem Aus. In einem kleinen Mietshaus dürfte Mieterstrom nach dem bisherigen Modell weiterhin möglich sein – doch aktuell besteht insofern Rechtsunsicherheit, als dass niemand genau weiß, wo denn die Grenze ist, ab welcher eine Mieterstromanlage als Verteilernetz und nicht mehr als Kundenanlage einzustufen ist. Der BGH hat schließlich nur entschieden, dass die fragliche Anlage in Sachsen mit ihren rund 200 Wohnungen in mehreren Wohnblöcken und bis zu 1.000 Megawattstunden durchgeleiteter Energie im Jahr als Verteilernetz zu sehen ist.
Mieterstrom: Bisheriger Ansatz führt nicht weiter
Die Entscheidung, ob eine Mieterstromanlage als Verteilernetz oder Kundenanlage betrachtet wird, trifft zunächst der Verteilernetzbetreiber, bei dem der Anschluss der Anlage beantragt werden muss – so, wie bei dem Fall in Sachsen. Allerdings gibt es in Deutschland mehr als 800 Verteilernetzbetreiber und es ist davon auszugehen, dass jeder die Grenze ein bisschen anders zieht. So kann sich seit dem BGH-Beschluss kein Vermieter mehr wirklich sicher sein, ob er seine Mieterstromanlage als Kundenanlage angeschlossen bekommt oder nicht – und damit auch nicht sagen, ob sie sich wirtschaftlich gesehen lohnen wird. Damit weiterhin Mieterstromprojekte realisiert werden, wäre eine Klarstellung durch den Gesetzgeber nötig.
Das Bundeswirtschaftsministerium prüft nach ARD-Berichten seine Handlungsmöglichkeiten in dieser Hinsicht. Allerdings dürfte eine tragfähige Lösung nur auf europäischer Ebene gefunden werden können. Eine Behebung der Rechtsunsicherheit durch die Politik ist insofern nicht ganz einfach und daher nicht kurzfristig zu erwarten. Die Situation trifft den Mieterstrom hart, war er doch auch bislang schon kein Erfolgsmodell. Die Tatsache, dass der Vermieter dabei rechtlich gesehen zum Stromversorger wird, führte auch bislang schon zu viel Bürokratie. Gerade die privaten Kleinvermieter, die rund zwei Drittel die Mietwohnungen in Deutschland bereitstellen, können daher kaum Mieterstrom anbieten.
Bislang kamen Mieterstromprojekte daher vorwiegend bei größeren Wohnungsbaugesellschaften oder Genossenschaften vor, die dank ihrer Größe leichter so ein Projekt stemmen konnten. Doch gerade diese größeren Projekte stehen nun rechtlich auf wackligen Beinen. All dies zeigt, dass der bisherige deutsche Ansatz beim Mieterstrom wenig zielführend ist und das Thema grundsätzlich neu gedacht werden müsste. Das gilt insbesondere auch für den Ansatz, Mieterstrom durch Wegfall der Netzentgelte günstig zu gestalten: Würden tatsächlich viele Mieterstromprojekte realisiert, hieße das: Immer weniger Stromkunden bezahlen für den Unterhalt der Verteilernetze, die jedoch dadurch nicht billiger werden. So würden die Netzentgelte für die Allgemeinheit steigen.
Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind daher nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann ein Rechtsberater Ihres Haus & Grund-Ortsvereins mit Ihnen als Mitglied erörtern.
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