Brandenburg an der Havel. Eine vierköpfige Familie aus Rangsdorf in Brandenburg muss ihr Eigenheim auf eigene Kosten abreißen lassen, das Grundstück herausgeben und für dessen Nutzung sogar Entschädigung leisten – ohne dass die Hauseigentümer irgendetwas falsch gemacht hätten. Mit diesem drakonischen Urteil hat das Oberlandesgericht Brandenburg vielmehr einen Justizirrtum korrigiert (Urteil vom 29.06.2023, Az.: 5 U 81/20).
Den Fehler hatte das Amtsgericht Luckenwalde gemacht: Es hatte das rund 1.000 Quadratmeter große Baugrundstück im Jahr 2010 zwangsversteigert. Der Erbe des Baulandes hatte nämlich Schulden bei der Stadt Freiburg und angeblich konnte das Gericht ihn damals nicht erreichen. Daher versteigerte es das Grundstück, um aus dem Erlös die Ansprüche der Stadt Freiburg befriedigen zu können.
Bei dieser Zwangsversteigerung hatte die junge Familie das Grundstück erworben und es anschließend mit ihrem Einfamilienhaus bebaut. Dafür hatten sie hohe Kredite aufgenommen. Im Jahr 2012 zog die Familie mit zwei damals noch kleinen Kindern ins neue Eigenheim ein. Doch ein Jahr später meldete sich der Erbe des Grundstücks und verlangte es zurück – dafür zog der in der Schweiz lebende US-Amerikaner sodann vor Gericht.
Grundstück zu Unrecht zwangsversteigert
Und er bekam Recht: Das Landgericht Potsdam kam zu dem Schluss, das Amtsgericht habe seinerzeit nicht gründlich genug nach dem Erben gesucht. Die Zwangsversteigerung sei deswegen nicht rechtmäßig gewesen, hätte gar nicht durchgeführt werden dürfen. Der Amerikaner sei deshalb nach wie vor der rechtmäßige Eigentümer des Grundstücks, das er von seiner Tante geerbt hatte.
Dem Urteil schloss sich jetzt das Oberlandesgericht in Brandenburg an der Havel an. Das Recht des rechtmäßigen Eigentümers wiege schwerer als die gravierenden Folgen, die das Urteil für die Familie habe. Das Gericht verurteilte die Familie dazu, ihr Haus auf eigene Kosten abzureißen, das Grundstück herauszugeben und dem Erben eine Entschädigung von 6.000 Euro für die zwischenzeitliche Nutzung des Grundstücks zu zahlen.
Land Brandenburg prüft Amtshaftung
Die Familie muss das Grundstück so herausgeben, wie es vor der unrechtmäßigen Zwangsversteigerung war – das heißt auch ohne die Grundschuld von 280.000 Euro plus Zinsen, die darauf eingetragen ist. Die Familie muss die Schulden also schnell tilgen. Die Revision hat das Oberlandesgericht ausgeschlossen, es gibt eine Räumungsfrist von einem Jahr. Der Familie bleibt nun nichts anderes übrig, als das Land Brandenburg für den Irrtum seines Gerichts in Haftung zu nehmen. Laut Medienberichten hat das Justizministerium des Landes bereits eine Arbeitsgruppe dazu eingesetzt.
Die Amtshaftungsansprüche der Familie wegen des Gerichtsfehlers möchte man möglichst außergerichtlich klären, wie Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) zur Deutschen Presseagentur (dpa) sagte. Das Land stehe in der Verantwortung, die durch den Fehler bei Gericht verursachten materiellen Schäden zu ersetzen - durch einen finanziellen Ausgleich oder weitere Möglichkeiten. So ließe sich der Schaden etwa wiedergutmachen, indem das Land dem Eigentümer das Grundstück abkauft, um es dann kostenlos der Familie zu übertragen. Allerdings ist nicht bekannt, ob der Eigentümer zu dieser Lösung bereit wäre.
Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind daher nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann ein Rechtsberater Ihres Haus & Grund-Ortsvereins mit Ihnen als Mitglied erörtern. Die rechtsanwaltliche Beratung durch Ihren Ortsverein ist in der Regel in der Mitgliedschaft enthalten, es fallen keine anwaltlichen Gebühren an.