Ungerechtfertigten Baustopp erwirkt: Muss Wohnungseigentümer Schaden ersetzen?

Wenn die Eigentümerversammlung eine Sanierung beschließt und ein Eigentümer ist damit nicht einverstanden, dann kann er unter Umständen versuchen, gerichtlich gegen den Beschluss vorzugehen. Mit einer einstweiligen Verfügung lässt sich verhindern, dass die Bauarbeiter derweil schon Fakten schaffen. Aber was, wenn sich die einstweilige Verfügung später als unberechtigt herausstellt?

Karlsruhe. Wenn ein Wohnungseigentümer gegen einen Beschluss der Eigentümerversammlung vorgehen möchte, der Bauarbeiten nach sich zieht, liegt der Gedanke nahe, zunächst eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Dann müssen die Bauarbeiten erstmal ruhen. Doch Vorsicht: Sollte die einstweilige Verfügung sich später als von Anfang an unberechtigt herausstellen, können sich daraus Schadensersatzpflichten ergeben. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden (Urteil vom 21.4.2023, Az.: V ZR 86/22).

Das Urteil fiel im Streit einer Wohnungseigentümergemeinschaft in Braunschweig. Nach einem entsprechenden Beschluss der Eigentümerversammlung hatte die Verwalterin der Gemeinschaft im April 2015 zwei Handwerksbetriebe mit der Sanierung der Balkone des Hauses beauftragt. Eine Eigentümerin aus der Gemeinschaft war allerdings gegen die Maßnahme. Ende April erwirkte sie eine einstweilige Verfügung: Dadurch wurde der Sanierungsbeschluss ausgesetzt, die Bauarbeiten mussten gestoppt werden.

Eigentümerin ließ Balkonsanierung stoppen

Einen Monat später hob das Amtsgericht Braunschweig die einstweilige Verfügung jedoch wieder auf. Dagegen ging die Eigentümerin in Berufung, doch das Landgericht bestätigte Ende September die Entscheidung der Vorinstanz. Jetzt konnten die Handwerker wieder zur Tat schreiten und die Arbeiten zu Ende bringen. Allerdings waren ihnen durch die Verzögerung Mehrkosten entstanden, die sie der Eigentümergemeinschaft in Rechnung stellten: Stolze 11.200 Euro waren es insgesamt. Die Gemeinschaft bezahlte das Geld.

Sie verklagte dann allerdings die für den Baustopp verantwortliche Eigentümerin darauf, der Gemeinschaft diese Mehrkosten zu erstatten. Nachdem sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht zugunsten der Gemeinschaft entschieden hatte, zog die beklagte Eigentümerin vor den Bundesgerichtshof (BGH) und unterlag auch hier. Sie muss der Gemeinschaft den durch den Baustopp entstandenen Schaden bezahlen. Die Bundesrichter verwiesen auf die Zivilprozessordnung (ZPO).

Einstweilige Verfügung unberechtigt: Schadensersatzpflicht greift

Dort ist festgeschrieben, dass jemand, der eine einstweilige Verfügung erwirkt, verpflichtet ist, den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen, wenn sich später herausstellt, dass die einstweilige Verfügung von Anfang an unberechtigt war. Genau dies hatte das Amtsgericht im vorliegenden Fall allerdings festgestellt, als es die einstweilige Verfügung wieder aufhob. Insofern war die Eigentümerin hier eindeutig zu Schadensersatz verpflichtet – blieb jedoch die Frage zu klären, wem der Schaden zu ersetzen war.

In diesem Fall war der Schaden bei der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entstanden, welche den beauftragten Handwerkern die Mehrkosten zahlen musste. Den Schadensersatzanspruch hatten aber die Wohnungseigentümer, deren Beschluss durch die einstweilige Verfügung ausgesetzt wurde. Dieser Zufall, dass der Geschädigte keinen Anspruch auf Schadensersatz hat und der Anspruchsberechtigte nicht geschädigt wurde, darf aber nicht dazu führen, dass der Verursacher des Schadens nicht mehr haften muss.

Neue Rechtslage nach WEG-Reform: Gemeinschaft bekommt Schadensersatz

Deswegen greift in solch einem Fall die sogenannte Drittschadensliquidation: Darüber können die Wohnungseigentümer den Schaden der Gemeinschaft ersetzt verlangen. So war jedenfalls die Rechtslage vor der WEG-Reform von 2020, die hier maßgeblich war. Seit der Reform liegen die Dinge deutlich einfacher, wie der BGH erklärte: Schaden und Anspruch können jetzt in einem solchen Fall nicht mehr auseinanderfallen, denn bei der Anfechtung eines Beschlusses müssen nach der neuen Rechtslage nicht mehr die Eigentümer, sondern die Gemeinschaft verklagt werden.

Nach heutiger Rechtslage hätte damit also die Gemeinschaft nicht nur den Schaden, sondern auch den Anspruch auf Schadensersatz, da sie selbst mit der einstweiligen Verfügung angegriffen würde. Der Schaden verschwindet auch nicht dadurch, dass die Gemeinschaft die Kosten der Sanierungsmaßnahme über die Jahresabrechnungen bereits mit den Einzeleigentümern abgerechnet hat. Schließlich hat die Gemeinschaft ein eigenes Vermögen und musste zunächst davon die Rechnungen der Firmen begleichen. Der Schaden war ihr also entstanden. Ob nach alter oder neuer Rechtslage: Die Eigentümerin muss für die Folgen ihrer einstweiligen Verfügung gerade stehen.

Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind daher nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann ein Rechtsberater Ihres Haus & Grund-Ortsvereins mit Ihnen als Mitglied erörtern. Die rechtsanwaltliche Beratung durch Ihren Ortsverein ist in der Regel in der Mitgliedschaft enthalten, es fallen keine anwaltlichen Gebühren an.

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