Karlsruhe. Die Reform des Wohnungseigentumsrechts hat den Eigentümern das Recht gegeben, den Verwalter jederzeit abzuberufen – per Mehrheitsbeschluss und ohne wichtigen Grund. Falls die Gemeinschaftsordnung etwas anderes vorsieht, gilt sie in diesem Punkt nicht mehr. Ein einzelner Wohnungseigentümer kann allerdings auch nach der Reform eine Abberufung des Verwalters nur dann verlangen, wenn eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses objektiv unvertretbar wäre. Dabei kommt es sehr auf den Einzelfall an, auch ältere Pflichtverletzungen des Verwalters können dabei eine Rolle spielen.
Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt klargestellt (Urteil vom 25.02.2022, Az.: V ZR 65/21). Er kippte damit ein Urteil, dass vom Berliner Landgericht im Streit um den Verwalter einer Berliner Wohnungseigentümergemeinschaft gefallen war. Mehrere Eigentümer hatten in der Versammlung im November 2019 verlangt, die Verwalterin abzuberufen. Sie wollten den Vertrag zum Jahresende kündigen. Anlass waren verschiedene Pflichtverletzungen aus den Jahren 2012, 2018 und 2019. Die Eigentümer warfen der Verwalterin unter anderem vor, für die Nichtigkeit einer Jahresabrechnung verantwortlich zu sein.
Verwalter abberufen: Wie alt dürfen Pflichtverletzungen sein?
Außerdem soll die Dame Eigentümer eingeschüchtert, ein Protokoll zu spät verschickt und ein anderes gar nicht weitergeleitet haben. Es fand sich allerdings trotzdem keine Mehrheit für eine Abberufung der Verwalterin. Die Eigentümer, die eine Abberufung wollten, zogen vor Gericht und verlangten, das Gericht möge den Beschluss ersetzen. Das Landgericht lehnte das Ansinnen allerdings ebenso ab, wie zuvor schon das Amtsgericht. Begründung: Die Vorfälle, die man der Verwalterin vorwarf, lägen zum Teil schon lange zurück, zum Teil seien sie zeitlich gar nicht verortet worden. Daher müssten sie nicht in die Abwägungen des Gerichts einbezogen werden.
Genau das sah allerdings der Bundesgerichtshof (BGH) anders, bei dem die klagenden Eigentümer Revision eingelegt hatten. Die Bundesrichter stellten fest, dass ein Gericht in solchen Fällen tatsächlich alle Umstände des Einzelfalls genau prüfen muss. Dabei gibt es keine grundsätzliche Verjährungsfrist, nach deren Ablauf mutmaßliche Pflichtverletzungen eines Verwalters nicht mehr zu berücksichtigen wären. Die Einbeziehung auch älterer Vorkommnisse in die Gesamtschau könne die Beurteilung der Sache durchaus beeinflussen. Schließlich kann auch eine Häufung von kleineren Verfehlungen irgendwann das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen bringen.
WEG-Reform hat nicht alles umgekrempelt
Der BGH gab dem Landgericht daher auf, den Fall noch einmal gründlich zu prüfen und dann ein neues Urteil zu fällen. Dafür gaben die Bundesrichter dem Landgericht einige wichtige Hinweise mit auf den Weg. So hat sich beim Verlangen einzelner Eigentümer auf Abberufung des Verwalters durch die WEG-Reform der Anspruchsgegner geändert: Früher richtete sich das Verlangen gegen alle anderen Wohnungseigentümer, jetzt ist es die Gemeinschaft als Ganzes. Nicht geändert hat sich aber die Voraussetzung des Anspruchs auf Verwalterabberufung: Eine Fortsetzung der Verwaltertätigkeit muss objektiv betrachtet unzumutbar sein.
Es dürfen aber auch keine unerfüllbar hohen Anforderungen an die Abberufung gestellt werden. Wichtig ist nur, dass die Betrachtung des Einzelfalls und seiner konkreten Umstände am Ende zu dem Schluss führt, dass die Abberufung dem Interesse aller Eigentümer entspricht. Falls eine Abberufung beschlossen wird, endet der Vertrag spätestens sechs Monate nach der Abberufung – auch wenn im Verwaltervertrag andere Modalitäten vereinbart wurden. Diese sind durch die WEG-Reform unwirksam geworden. Wichtig außerdem: Wenn es vor Gericht um eine Beschlussersetzung geht, gilt das zum Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung geltende Recht, in diesem Fall also bereits das reformierte WEG-Recht von 2020 – auch wenn der Streit älter war.