Wenn der Mieter ein Vorkaufsrecht hat: Preisnachlass für anderen Käufer zulässig?

Wenn der Eigentümer eines Mietshauses die darin gelegenen Wohnungen in Eigentumswohnungen umwandelt und verkauft, haben die Mieter ein Vorkaufsrecht. Da eine vermietete Wohnung weniger wert ist als eine nicht vermietete, liegt der Gedanke nahe, dem Käufer einen niedrigeren Preis einzuräumen als dem Mieter, der sein Vorkaufsrecht nutzt. Aber ist das überhaupt legal?

Karlsruhe. Wer eine vermietete, in Wohnungseigentum umgewandelte Wohnung verkauft, darf dem Mieter der Wohnung keinen höheren Kaufpreis abverlangen als einem anderen Kaufinteressenten. Eine Klausel im Kaufvertrag, die dem Käufer der vermieteten Wohnung einen Rabatt einräumt, ist unwirksam. Es handelt sich um eine unzulässige Vereinbarung zulasten Dritter. So hat es der Bundesgerichtshof (BGH) unlängst entschieden (Urteil vom 23.02.2022, Az.: VIII ZR 305/20).

Dabei ging es um den Verkauf einer Wohnung in einem Berliner Mietshaus. Die vermietende Eigentümerin hatte das Haus im Jahr 2015 in Wohnungseigentum aufgeteilt. Die Wohnung einer Mieterin sollte dann verkauft werden. Dabei stand der Mieterin ein gesetzliches Vorkaufsrecht zu. Nachdem die Eigentümerin einen Käufer gefunden und einen Kaufvertrag ausgehandelt hatte, musste sie also der Mieterin anbieten, die Wohnung zu den Konditionen dieses Kaufvertrages zu kaufen. Die Mieterin machte von diesem Recht tatsächlich Gebrauch.

Mieterin übt Vorkaufsrecht aus und soll höheren Preis zahlen

Sie kaufte die 47 Quadratmeter große Wohnung zum vereinbarten Preis von 163.000 Euro. Die Summe bezahlte sie aber nur unter Vorbehalt und verklagte ihre bisherige Vermieterin auf eine Rückzahlung von 16.300 Euro, also zehn Prozent des Kaufpreises. Denn: Im Kaufvertrag stand geschrieben, dass sich der Kaufpreis um zehn Prozent reduzieren sollte, falls die Wohnung in vermietetem Zustand verkauft wird. Sprich: Wenn die Mieterin von ihrem Vorkaufsrecht nicht Gebrauch gemacht hätte, hätte der Käufer das Mietverhältnis übernehmen müssen und für die Wohnung zehn Prozent weniger gezahlt.

Das bedeutet im Umkehrschluss: Die Mieterin sollte für die Wohnung bei Ausübung ihres Vorkaufsrechts zehn Prozent mehr bezahlen als der andere Käufer. Dadurch fühlte sich die Mieterin benachteiligt. Sie bekam in allen Instanzen Recht, zuletzt auch vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Die fragliche Klausel war eine unzulässige Vereinbarung zu Lasten Dritter und damit unwirksam, entschieden die Bundesrichter wie schon ihre Kollegen der Berliner Instanzgerichte. Da der Vertrag eine salvatorische Klausel enthielt, die ihn auch bei Unwirksamkeit einer Klausel in den anderen Punkten wirksam erhält, bleibt der Verkauf der Wohnung wirksam.

Die bisherige Vermieterin muss ihrer vormaligen Mieterin jetzt zehn Prozent des Kaufpreises zurückerstatten, also 16.300 Euro. Natürlich bedeutet es eine Wertminderung, wenn eine Wohnung in vermietetem Zustand verkauft wird. Aber der Verkäuferin gehörte hier nun einmal eine vermietete Wohnung, die einen entsprechenden Wert hatte. Ein Nachteil, den die verkaufende Eigentümerin nicht zu Lasten der Mieterin ausgleichen darf, befanden die Richter. Wer das Vorkaufsrecht hat, muss zu den gleichen Konditionen kaufen dürfen, wie ein anderer Käufer.

Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind daher nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann ein Rechtsberater Ihres Haus & Grund-Ortsvereins mit Ihnen als Mitglied erörtern. Die rechtsanwaltliche Beratung durch Ihren Ortsverein ist in der Regel in der Mitgliedschaft enthalten, es fallen keine anwaltlichen Gebühren an.

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