München. Die deutschen Bauunternehmen sehen sich im Bereich Wohnungsbau aktuell mit einer Stornierungswelle konfrontiert. Eine Umfrage des ifo-Instituts hat ergeben, dass im September 16,7 Prozent der Bauunternehmen von Stornierungen betroffen waren. Im August hatte der Wert bei 11,6 Prozent gelegen. Auch das war schon hoch: Von Anfang 2012 bis Anfang 2020 dümpelte die Quote immer zwischen 0 und rund 2,5 Prozent vor sich hin. Corona führte 2020 zu einem kurzzeitigen Anstieg auf gut 7,5 Prozent.
Im letzten Jahr entspannte sich die Lage, die Stornierungsquote lag das ganze Jahr unterhalb der 5-Prozent-Marke. Doch seit Anfang 2022 schießt die Stornierungsquote kräftig in die Höhe, ein Ende ist vorerst wohl nicht abzusehen. „Aufgrund der explodierenden Material- und Energiepreise sowie der steigenden Finanzierungszinsen ist die Planungssicherheit dahin“, erklärt der ifo-Experte Felix Leiss. „Die Baukosten steigen immer weiter. Für einige Bauherren ist das alles nicht mehr darstellbar, sie stellen Projekte zurück oder ziehen ganz die Reißleine.“
Damit bestätigt er die Befürchtungen, die seit einiger Zeit mit den stark steigenden Baukosten einhergehen – wir berichteten. Zuletzt meldeten dem ifo-Institut 32,7 Prozent der Bauunternehmen Materialengpässe. Einen Monat zuvor waren es noch 36,4 Prozent gewesen. Die Probleme mit dem Nachschub lassen also nur langsam nach. Zugleich verteuern die hohen Energiepreise das knappe Material, so dass eine Entspannung bei den Materialkosten erstmal nicht in Sicht ist. Die Bauunternehmen müssen die hohen Kosten an die Kunden weitergeben.
Weitere Preiserhöhungen unausweichlich
„Für die kommenden Monate sind auf breiter Front weitere Preiserhöhungen geplant“, resümiert Felix Leiss. Der von seinem Institut geführte Index für die Preiserwartungen der Branche kletterte von 48,4 auf 49,5 Punkte. Demnach dürfte der Trend anhalten, dass Bauherren ihre Projekte zunehmend begraben müssen, weil sie finanziell nicht mehr zu stemmen sind – zumal markant steigende Bauzinsen die Finanzierung zusätzlich erschweren. Entsprechend pessimistisch ist die Erwartung der Bauwirtschaft, was die Entwicklung ihrer Geschäftslage angeht.
Der ifo-Index zur Geschäftsentwicklung der Branche ist inzwischen auf -53,2 Punkte gefallen. Das ist der niedrigste Stand seit dem Beginn der Erhebung im Jahr 1991. „Die Unternehmen verfügen im Schnitt immer noch über große Auftragsreserven, aber die Zukunftssorgen waren selten so groß“, fasst Felix Leiss zusammen. Angesichts dessen sind die Ziele der Politik für den Wohnungsbau – der Bund will bekanntlich 400.000 neue Wohnungen schaffen – nicht zu erreichen.